An der Technischen Hochschule Nürnberg läuft es weitgehend rund, findet Prof. Dr. Niels Oberbeck, seit März 2020 Präsident der renommierten Lehr- und Forschungseinrichtung am Keßlerplatz. Die Hochschule steht sehr gut da. Dennoch stehen die Zeichen auf Wandel. Was das bedeutet, verrät der neue Hausherr heute.
Sie sagen selbst, Sie hätten die TH Nürnberg in einem Topzustand übernommen. Dennoch haben Sie als neuer Präsident sicherlich Zukunftspläne für deren Weiterentwicklung?
Natürlich habe ich die. Aber ich möchte die Strategien bewahren, die die TH Nürnberg bisher so erfolgreich gemacht haben und gleichzeitig dafür sorgen, dass dieser Erfolg auch in die Zukunft transferiert wird. Dabei spielt die inhaltliche Weiterentwicklung unserer Strategien und Ziele eine wichtige Rolle. Umso mehr, als uns das kommende bayerische Hochschulinnovationsgesetz schon bald deutlich mehr Eigenverantwortung ermöglichen wird – und damit verbunden auch viel mehr Gestaltungsspielraum. Das wird spannend. Wir können unsere interne Organisation beispielsweise an unsere Bedürfnisse und Ziele anpassen. Wir können verstärkt unternehmerisch tätig sein, unser Budget selbst verwalten und die Tätigkeit der Professorinnen und Professoren in Lehre, Forschung und Weiterbildung flexibler verteilen. Für die angewandte Forschung und den Transfer wird dank der Hightech Agenda mehr Zeit zur Verfügung stehen, ohne dass die Lehre leidet. Und das Promotionsrecht in Bayern wird voraussichtlich nicht länger exklusiv bei den Universitäten liegen.
Das ist eines der Themen, dass ich als Erstes in Angriff nehmen werde. Dazu werden wir die Fachbereiche an der TH Nürnberg identifizieren, die forschungsstark sind und Aussicht haben, die Kriterien für die Vergabe des Promotionsrechts zu erfüllen. Denn das Thema Promotion ist für unsere Hochschule ein wichtiger Schritt und macht uns für den dringend benötigten wissenschaftlichen Nachwuchs und für wissenschaftliche Spitzenkräfte auch international attraktiver.
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Mehr Studiengänge, mehr Forschung und noch dazu Promotionsangebote bedeuten vermutlich auch mehr Platzbedarf, richtig?
Absolut richtig. Unser anerkannter dringender Flächenbedarf liegt derzeit bei rund 30.000 Quadratmetern. Zum Beispiel für das neu geplante Zentrum für Medien, Kommunikation und IT und für das Zentrum für Metall- und Polymerforschung. Dann für den Technologie-Campus auf dem ehemaligen AEG Areal, der Anfang 2024 bezugsfertig sein soll. Dort wollen wir unter anderem das Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft und das „Innovation Service Center“ unterbringen, das die Innovationskette von der Ideenfindung über die Unterstützung der angewandten Forschung bis zur Gründerberatung bruchlos vereint. Außerdem planen wir dort auch flexible Forschungsflächen ein, die sowohl Lehrende als auch Studierende variabel nutzen können. Ein echtes Novum, denn Platz für Forschung ist an unserer Hochschule eigentlich nie genug vorhanden. Ich bin sehr gespannt, was daraus entstehen wird.
Und schließlich gründen wir an der TH Nürnberg eine neue Organisationseinheit im Bereich der Gesundheitswissenschaften, die „Nürnberg School of Health“. Healthcare ist ein Bereich, in dem wir zwar bereits vertreten sind, aber der Bedarf in der Versorgung der Menschen wird gerade in der Metropolregion Nürnberg weiter rasant steigen. Im Fokus stehen Aus- und Weiterbildung sowie Forschung im medizinnahen Bereich: Einerseits wollen wir bestehende Berufe im Gesundheitssektor weiterentwickeln, andererseits Bildungsangebote für neue Berufe schaffen, gerade an der Schnittstelle von Gesundheit und Technik. Denn immer mehr Berufsbilder erfordern ein gewisses digitales Know-how. Dazu kooperieren wir schon seit einigen Jahren sehr erfolgreich mit dem Klinikum Nürnberg und der PMU Salzburg am Standort Nürnberg. Die ersten beiden Studiengänge sollen schon im Wintersemester 2021/22 an den Start gehen – jeweils ein grundständiger Bachelorstudiengang für Hebammenwissenschaft und für Digitales Gesundheitsmanagement.
Die TH Nürnberg war schon immer aktives Mitglied im Nürnberger Innovationsökosystem. Der Fokus liegt dabei in der angewandten Forschung. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Unternehmen vor Ort?
Meiner Meinung nach ganz ausgezeichnet. Die Metropolregion Nürnberg zeichnet sich durch einen sehr guten Mix aus Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Größen aus – genauso wie durch eine ganze Reihe hochkarätiger wissenschaftlicher Akteure. Es fällt mir schwer, hier spezielle Kooperationspartner herauszugreifen, da ich damit allen anderen Unrecht tue. Ganz sicher aber zählt die FAU dazu, mit der wir gemeinsam unter anderem im Nuremberg Campus of Technology und im Energie Campus Nürnberg arbeiten. Einige Fraunhofer-Institute wie Fraunhofer IIS und IISB sind wichtige Forschungspartner. Die Akademie der Bildenden Künste und die Hochschule für Musik sind gerade durch ihre Andersartigkeit sehr wertvolle Partner. Bei den Unternehmen müsste ich sehr viele nennen, aktuell arbeiten wir z. B. mit MAN in der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie zusammen. Und die STAEDTLER-Stiftung unterstützt uns seit vielen Jahren durch ihre Forschungsförderung.
Was ich an Nürnberg besonders schätze ist, dass es nahezu unbegrenzte Möglichkeiten zu Kooperationen gibt. Wir suchen ständig aktiv nach Partnern und sind bisher immer fündig geworden. Zum Beispiel in den Bereichen Weiterqualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Zukunftsthemen, in Forschungsprojekten, Abschlussarbeiten, dualen Studiengängen und vieles mehr.
Und wie sieht es mit der der Einbindung der TH Nürnberg in die Stadtgesellschaft aus? Immerhin ist Ihr Haus mit knapp 13.000 Studierenden die größte Hochschule in Nürnberg.
Wir sehen uns als Teil der Stadt Nürnberg, und es ist für uns sehr wichtig, auch als solcher wahrgenommen zu werden – die Stadt ist unser Campus. Wir möchten uns hier künftig noch stärker einbringen. Als staatlich finanzierte Hochschule sehen wir uns in der Pflicht, für die Stadt und ihre Menschen einen Mehrwert zu erbringen. Deshalb kooperieren wir eng mit der Stadtspitze, insbesondere mit dem Wirtschafts- und Wissenschaftsreferat. Zudem wirken wir im Rahmen des „Service Learning“ ständig in gemeinsamen Projekten mit gemeinnützigen lokalen Organisationen mit. Leider ist es so, dass wir dennoch in der Wahrnehmung vieler Bürgerinnen und Bürger nicht wirklich präsent sind. Wir versuchen das zu ändern. So sind wir zum Beispiel immer bei der Blauen Nacht und der Langen Nacht der Wissenschaften dabei, halten Ringvorlesungen, veranstalten in jedem Semester Vorlesungen in der KinderUNI und werden auch beim Zukunftsmuseum dabei sein. Aber in puncto Sichtbarkeit ist noch Luft nach oben. Da müssen wir aktiver werden. Und das möchte ich auch, denn die Technische Hochschule Nürnberg ist eine sehr sympathische Hochschule, die Wertschätzung und Kollegialität mit einer unheimlich breiten und tiefen Fachkompetenz verbindet. Eine, auf die die Stadt stolz sein kann.
Praktische Links zum Thema
- Offizielle Internetseite der Technischen Hochschule Nürnberg
- Infos zum neuen Technologie-Campus im AEG Areal
- Nürnberg School of Health
- Infos zum LEONARDO – Zentrum für Kreativität und Innovation
Titelbild: © Sophie Gredinger
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