Im Dezember 2019 wurde es eröffnet – das ADA Lovelace Center in Nürnberg. Ein Kompetenzzentrum, das KI-Forschung und KI-Anwendungen maximal miteinander vernetzen soll. Wer hier woran forscht und mit welchem Nutzen, verrät heute der Leiter des ADA Lovelace Centers, Prof. Dr. Alexander Martin.
Das ADA Lovelace Center wurde am Nürnberger Standort (im Nordostpark) des Fraunhofer Instituts für Integrierte Schaltungen IIS in Kooperation mit der FAU Erlangen-Nürnberg und der LMU München gegründet; außerdem sind noch die Fraunhofer-Institute IKS und IISB beteiligt – das klingt nach geballter Forschungskompetenz für Künstliche Intelligenz in Bayern: Was ist das Besondere am ADA Lovelace Center und was wird hier erarbeitet?
Das Besondere am ADA Lovelace Center ist tatsächlich die enge Verbindung aus industrieller Anwendung und Forschung. Mit der Art, wie wir unsere Kompetenzen, Methoden und Verfahren aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz in den Fragestellungen der Praxis einsetzen, wollen wir einen konkreten Nutzen für Unternehmen herstellen. Und zwar über die Grenze des derzeit Machbaren hinaus. Unser Herangehen an Projekte und die Zusammenarbeit mit unseren Partnern aus Industrie und Wissenschaft soll Unternehmen den Zugang zu umfassender KI-Expertise erleichtern.
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Das wissenschaftliche Methodenspektrum, das wir im ADA Lovelace Center dafür einsetzen, ist sehr breit und die Auswahl der richtigen Methode abhängig vom Use Case. Immer aber geht es bei uns um Datenanalyse: von der klassischen Zustandsbeschreibung über Vorhersagen von Ereignissen bis hin zu entscheidungsbasierten Methoden, die beispielsweise automatisiert eine bestimmte Handlung auslösen sollen. Dazu binden wir übrigens neben den genannten regionalen Playern auch viele andere nationale und internationale Wissenschaftspartner ein.
Können Sie uns bereits heute konkrete Anwendungsfälle nennen, in denen Lösungsmodelle aus dem ADA Lovelace Center zum Tragen kam?
Ein gutes Beispiel kommt aus der Logistik: Auf den ersten Blick mag es einfach erscheinen, ein Lager mit eingehenden Waren optimal zu bestücken, damit sie später so schnell wie möglich kommissioniert bzw. gepackt werden können. Jedoch sind dabei so viele unterschiedliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, dass herkömmliche Prozesstools schnell überfordert sind – vom Brandschutz über vorgegebene Be- und Entladereihenfolgen bis hin zu Sicherheitsvorschriften oder maximal einzuplanende Entfernungen. Wir haben in diesem Fall unsere Methodenkompetenz genutzt und gemeinsam mit einem Industriepartner einen Algorithmus entwickelt, mit dem Produkte optimal eingelagert werden. Das Ergebnis sind u. a. kürzere Wege für die Kommissionierer. Das spart Zeit und Geld.
Aber auch im Mobilitätskontext ist KI eine Hilfe. So haben wir für die VAG Nürnberg ein Verfahren entwickelt, mit dem beispielsweise die Energiekosten des U-Bahnbetriebs gesenkt werden können. Im Kern ging es darum, durch eine optimale Verschiebung des Takts der ein- und ausfahrenden Züge die Last im Bahnstromnetz so auszugleichen, dass nicht zu viele Peaks entstehen – denn die kosten richtig Geld. Mit dem Tool kann die VAG wirtschaftlicher arbeiten und gleichzeitig auch ihre Taktung optimieren. Und das, ohne dass sich für den Endkunden, also Sie und mich, Nachteile ergeben.
Wie kommen Sie zu Ihren Projekten – und wie läuft die Zusammenarbeit mit Unternehmen ab?
In der Regel kommen Unternehmen auf uns zu, weil sie mit KI in ihren Geschäftsabläufen effizienter werden wollen. Dabei ist oftmals aber noch gar nicht klar, wo sie ansetzen können oder wollen. Der Grund: Viele sind sich oft nicht sicher, welche Daten bei ihnen in welcher Qualität und Menge vorliegen, welche sie zur Lösung für eine spezifische Anwendung bräuchten, oder umgekehrt: welche Anwendungen sie mit ihren Daten überhaupt optimieren können. Da geht es um grundlegende Entscheidungen. Es ist dann unsere Aufgabe, dies gemeinsam zu eruieren. Erst anschließend können wir uns mit der mathematischen Problemlösung auseinandersetzen und passende Algorithmen bzw. Software entwickeln.
Um die Zusammenarbeit zwischen uns und der Industrie so effizient und leicht wie möglich zu gestalten, haben wir sogar ein neues Kooperationsformat entwickelt: die sogenannten Joint Labs. Darin bringen wir Mitarbeitende aus dem Kundenunternehmen mit unseren Fachleuten in kleinen interdisziplinären Entwicklerteams zusammen, damit sie gemeinsam konzentriert an einer Problemlösung arbeiten können. Der Austausch findet entweder bei uns statt oder im Unternehmen selbst. Und durch unser großes internes fachliches Netzwerk im ADA Lovelace Center kann auch schnell und formlos ein Experte aus einer anderen Disziplin hinzugezogen werden.
Gut ein dreiviertel Jahr ist es her, seit das ADA Lovelace Center offiziell eröffnet wurde. Zu früh, um eine erste Bilanz zu ziehen?
Zu früh um Bilanz zu ziehen sicherlich, aber nicht zu früh, um erste Erkenntnisse gewonnen zu haben. Wir sind in der Tat schon in dem ersten Jahr auf sehr gutem Weg. Wir haben uns wissenschaftlich äußerst gut vernetzt, sowohl regional, national als auch international. Und wir haben die ersten interessanten – wie oben erwähnten – Industrieprojekte bereits akquiriert. Wenn wir auf diesem Weg weitermachen, werden wir das ADA Lovelace Center zu einem sichtbaren Zentrum in Bayern und darüber hinaus entwickelt bekommen.
Was bringt das Jahr 2020 für das ADA Lovelace Center?
Ein wichtiger Meilenstein neben dem gerade erwähnten wird die Umsetzung unserer KI-Erlebniswelt sein, an deren Konzept wir derzeit aber noch arbeiten. Ein Data-Analytics Showroom, in dem man Künstliche Intelligenz hautnah erleben kann. Hier werden typische Data Analytics-Fragestellungen durch prototypische Aufbauten unserer Lösungen demonstriert. Einerseits wollen wir für die breite Öffentlichkeit einen eher einfachen Zugang zum Thema Künstliche Intelligenz ermöglichen – zugleich aber für Experten einen vertiefenden, fachlich-wissenschaftlichen, darstellen.
Passende Links zum Thema
- Offizielle Website des ADA Lovelace Centers für Künstliche Intelligenz
- ADA Lovelace Center im Youtube-Clip kennenlernen
Titelbild: Prof. Alexander Martin © Fraunhofer IIS / Paul Pulkert
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