Unterstützung für Social Start-ups in Nürnberg

Unterstützung für Social Start-ups in Nürnberg

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Nomen est Omen: „Anders Wirtschaften“ heißt die Initiative, die das ISKA Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit Nürnberg auf die Beine gestellt hat und die gemeinwohlorientierte Start-ups und Unternehmen aus der Region unterstützt. Ein Angebot mit Seltenheitscharakter. Die Wirtschaftsförderung Nürnberg ist seit dem Start Partnerin der Initiative. Was es damit auf sich hat, erklären die Mitverantwortlichen Nicolas Eichholz und Frank Braun.

Nicolas Eichholz – ANDERS GRÃœNDEN © ANDERS GRÃœNDEN

„Anders Wirtschaften“ – das klingt auf Anhieb alternativ. Dahinter verbergen sich die Teilbereiche „Türen Öffnen“ und „ANDERS GRÜNDEN“. Was unterscheidet die Gründung eines sozialen Unternehmens von dem eines anderen so sehr, dass dies ein eigenständiges Gründerzentrum benötigt?

Nicolas Eichholz, ANDERS GRÜNDEN: Soziale Unternehmen sind beratungsintensiv in Bereichen, die von anderen Gründerberatungsstellen kaum oder gar nicht abgedeckt werden. Dazu gehören vor allem die Wahl der passenden Rechtsform und die Finanzierungsfrage. Da geht es dann häufig um Stiftungen, die vom Projekt überzeugt werden müssen, um öffentliche Gelder, die zu beantragen sind, oder um Crowdfunding-Kampagnen. Und in diesem Zusammenhang geht es auch um das Geschäftsmodell und vor allem den Impact des Start-ups. Also die Antwort auf die Frage, welche gesellschaftliche Wirkung es haben wird.

Im Kern geht es um die Gestaltung der Wirtschaft der Zukunft. Eine Wirtschaft, in der es eben nicht nur um reinen Profit geht, sondern auch andere Faktoren eine wichtige Rolle spielen, wie beispielsweise Umweltschutz, Ressourcenschonung oder die Bereitstellung von unabhängigen Informationen. Wir fanden, dass sich das Thema prima mit dem bereits im ISKA angesiedelten Projekt „Türen Öffnen“ ergänzt, denn beide Projekte wollen – vom Start-up bis zum gestandenen Unternehmen – bei der Umsetzung eines nachhaltigen Unternehmensmodells begleiten und beraten. So ist der Arbeitsbereich „Anders Wirtschaften“ entstanden.

Frank Braun, Türen Öffnen: Genau. Unser Spielfeld ist die Thematik der sozialen Unternehmensverantwortung, kurz CSR genannt. Wir arbeiten vor allem an der Schnittstelle von Unternehmen und gemeinnützigen Einrichtungen, um die Vision sozialer Unternehmensverantwortung vor Ort lebendig werden zu lassen. Wir initiieren beispielsweise Projekte im Bereich Corporate Volunteering (Anm. d. Red.: betriebliche Freiwilligenprogramme), und das bereits seit mehr als 15 Jahren. Dabei bringen wir Unternehmensteams mit Ehrenamtlichen zusammen, um gemeinsam Projekte umzusetzen, für die dort die Ressourcen fehlen. Wir arbeiten dabei mit rund 250 gemeinnützigen Einrichtungen hier in der Region zusammen. Bildung, Ungleichheiten vermeiden, Partnerschaften knüpfen – das sind hier ganz wesentliche Ziele, die sowohl Unternehmen als auch Gemeinnützige verbinden. Neben Partnerschaftstagen kann das auch durch Kompetenzspenden passieren. Gerade im Bereich Digitales fehlen vielen Einrichtungen die Mittel, um die Digitalisierung zu vollziehen. Expertinnen und Experten aus Unternehmen helfen hier pro bono, um diese Lücken zu schließen. So entstehen tolle Partnerschaften und ein gemeinwohlorientiertes Engagement in der Stadt. 

Frank Braun – Türen Öffnen © ANDERS GRÃœNDEN

„ANDERS GRÜNDEN“ wurde im April 2021 aus der Taufe gehoben – wie kam es dazu?

Nicolas Eichholz: Als Sozialökonom arbeite ich bereits seit 8 Jahren am ISKA, parallel dazu aber hatte ich zwischenzeitlich auch selbst ein kleines Social Start-up gegründet und dabei festgestellt, dass es für gemeinwohlorientierte Gründende eine Beratungslücke gibt. Das gilt umso mehr, wenn im Fokus der geplanten Unternehmung kein Produkt steht, sondern eine Dienstleistung, die zur Lösung einer gesellschaftlichen Herausforderung beiträgt. Denn die erzielte Wirkung ist abstrakt und lässt sich eben häufig nicht oder zumindest nicht sofort beziffern. Vor vier Jahren gab es für solche Social Entrepreneure noch gar keine Anlaufstelle, heute in Bayern immerhin zwei: eine in München und unsere in Nürnberg. Ich habe damals das ISKA auf diese Lücke aufmerksam gemacht. Dass ich heute dazu aktiv dazu beitragen darf, diese zu schließen, freut mich natürlich sehr. Zum ISKA passt das neue Angebot sehr gut, denn sie sieht sich als Anlaufstelle für Menschen in der Stadtgesellschaft, die gute Ideen für eine positive Veränderung haben, und diese umsetzen möchten. Es hatten daher auch schon vorher immer wieder mal potenzielle Social Entrepreneure angeklopft und nach Unterstützung gefragt. Seit 2021 können wir diese erstmals auf professioneller Ebene bieten.

© ANDERS GRÜNDEN

Gibt es prominente Beispiele für soziale Unternehmen – in Deutschland, aber auch hier in der Metropolregion Nürnberg?

Nicolas Eichholz: Die gibt es natürlich. Ganz bekannt sind die RECUP Pfandbecher, Deutschlands größtes Mehrwegsystem für die Gastronomie. Die sind inzwischen an über 20.000 Ausgabestellen erhältlich – und können dort auch wieder abgegeben werden. Und hier in der Region die Relevanzreporter, die eine ganz neue Art von Lokaljournalismus machen – eine, die nicht auf möglichst hohe Klickraten abzielt, und entsprechend wertige, konstruktive Beiträge hervorbringt. Finanziert wurde der Start über Crowdfunding und eine Stiftung. Nun läuft das Ganze mehr und mehr über Mitgliedsbeiträge, und jedes Mitglied kann Einfluss nehmen auf Themen, über die geschrieben werden soll. Ähnlich funktioniert auch TreePlantingProjects, bei denen nachhaltige Wiederaufforstung im Fokus steht, und Flächenbesitzer*innen, Verbände aus Forst-und Landwirtschaft sowie ehrenamtlich Helfende zusammenbringen, die dabei unterstützen.

© ANDERS GRÜNDEN

Auf Ihrer Website heißt es, „ANDERS GRÜNDEN ist mehr als nur Beratung“ – was ist das mehr, was man bei Ihnen bekommt?

Nicolas Eichholz: Tatsächlich sehen wir uns als Sparringspartner der Social Start-ups. Das heißt, dass wir in unseren Coaching Sessions durchaus auch eigene Ideen einbringen. Dass wir unseren Gründenden häufig menschlich sehr nahe kommen – so nahe, dass wir sie manchmal auch ein bisschen ausbremsen, um einem Burnout vorzubeugen. Und dass wir über ein recht großes Netzwerk in dem Sektor verfügen – an Menschen, die Wirtschaft anders gestalten möchten, als sie heute ist. Und die sich deswegen auch gegenseitig unterstützen. Zum Beispiel im Rahmen eines persönlichen Erfahrungsaustauschs.

Das Schöne ist, dieses Ökosystem wächst seit einiger Zeit extrem schnell – und damit die Chance, den passenden Sparringspartner zu finden, der genau das Wissen oder die Erfahrung hat, die man vielleicht gerade im aktuellen Gründungsstadium braucht. Darüber hinaus vernetzen wir unsere Akteure aber auch mit denen aus anderen Gründerzentren in der Region.

Anders ist bei uns sicherlich auch, dass bei uns nicht nur der wirtschaftliche Erfolg im Vordergrund steht, sondern die Skalierung des Impacts eine wichtige Rolle spielt. Dass wir bei der Recherche nach den passenden Stiftungen und Fördertöpfen behilflich sein können, genauso wie bei der Frage, wie man diese am besten auf Augenhöhe anspricht. Dabei lernen wir mit jedem Projekt dazu. Von dem ständig wachsenden Knowhow profitieren dann wieder die nächsten Gründungswilligen. Es ist quasi ein Perpetuum Mobile – aber genau das macht unsere Arbeit so interessant. Und letzten Endes auch erfolgreich.

Frank Braun: Genauso wie das CSR-Netzwerk, das seit Jahren im Verbund mit der Stadt Nürnberg wächst und die Stadtgesellschaft zusammenschweißt: gemeinnützige Vereine, gestandene Unternehmen und eben auch Social Entrepreneure. Dieses trilaterale Netzwerk ist einzigartig in seiner Art. Wir sind hier von Anfang an gestaltend mit dabei gewesen. Die Wirtschaft der Zukunft basiert auf Geben und Nehmen. Kooperation ist dabei für alle gewinnbringender als Konkurrenz. Dabei werden nicht nur monetäre Werte gegen Imageaufwertung ausgetauscht, sondern auch Erfahrung, Kontakte und Kompetenz. Dass dies funktioniert, zeigen die vielen positiven Beispiele.

Wie hilft Euch das vielfältige Gründerökosystem in Nürnberg und mit wem kooperiert Ihr oder seid besonders vernetzt?

Nicolas Eichholz: Uns hilft die offene Kommunikation mit den anderen Gründungszentren, um Einblicke in die Themen, Arbeitsweisen und Methoden zu erhalten. Der Erfahrungsaustausch ist an dieser Stelle sehr wichtig. Außerdem vermitteln wir uns gegenseitig Kontakte und gelegentlich auch Start-ups, wenn das Angebot eines anderen Gründungszentrum die Bedarfe besser deckt. Wir sind besonders vernetzt mit dem NKubator und in regelmäßigen Austausch. Für die Zukunft planen wir auch gemeinsame Aktivitäten. Wir intensivieren momentan auch den Kontakt zu den Hochschulen, die das Thema Gründung im Bereich Social Entrepreneurship in der Lehre aufgreifen und wollen dort als Praxispartner aktiv werden.

Die anmietbare Wissens- und Kreativwerkstatt KOLEO © ANDERS GRÜNDEN

Anschlussfinanzierung für das Social Start-up Hub noch offen

Noch bis zum Frühjahr 2024 steht die Finanzierung für das Projekt „ANDERS GRÜNDEN“ auf sicheren Beinen – deshalb werden schon heute Unterstützerinnen und Unterstützer aber auch Fördermöglichkeiten für eine Fortsetzung des Programms gesucht. Beispielsweise ein Hallensponsor für die im August fertiggestellte und für jeden anmietbare Wissens- und Kreativwerkstatt KOLEO (KOoperation LEOnhardstraße). Dass die Erfolgsgeschichte weitergeht, steht für Eichholz und Braun außer Frage: zu gut wird das Angebot angenommen, und zu wichtig sind seine positiven Effekte für die Region.

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Titelbild: © Simeon Johnke / ANDERS GRÜNDEN

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