Der Spatenstich am 27. August 2021 für die Technische Universität Nürnberg setzte den Anfangspunkt für das größte Investitionsvorhaben in die Zukunft Nürnbergs. Das Besondere an der neuen Uni, wie sie sich als Akteur im lokalen Innovationsökosystem sieht und wie das Areal bei Fertigstellung aussehen soll, skizziert heute Gründungspräsident Prof. Dr. Dr. Hans Jürgen Prömel.
Interdisziplinär, international und digital – das sind die Leitgedanken der neu gegründeten Technischen Universität Nürnberg. Was genau steckt dahinter und was ist der große Unterschied zur klassischen Uni?
Wir haben die fantastische Möglichkeit, eine neue Universität nach neusten Kriterien zu gründen. Das hat es in Deutschland seit 40 Jahren nicht gegeben. Und wir wissen ja alle, wie stark die technologische Entwicklung in den letzten 40 Jahren war. Während man eine bestehende Uni aber nur sehr langsam ändern kann, hat man bei einer Neugründung die einmalige Chance, alles komplett anders zu machen. Es ist daher gar nicht der eine große Unterschied, es ist stattdessen eine Vielzahl von Kriterien, die die neue Technische Universität Nürnberg ausmachen wird.
Ein entscheidender Punkt ist die Interdisziplinarität. Wir werden die Grenzen zwischen den verschiedenen Studienfächern bewusst niedrig halten. Denn wir möchten es den Studierenden ermöglichen, themenübergreifend zu studieren. Und sie sollen sich untereinander besser vernetzen können. Deshalb wird es keine klassischen Lehrstühle geben, sondern Departments, die inhaltlich ineinandergreifen. Heißt in der Praxis: Lehre und Forschung werden so vernetzt, dass Studierende verschiedener Fachrichtungen zu einem übergeordneten Thema gemeinsam studieren und lernen können. Das Ganze unterstützen wir mit gebäudeübergreifenden Raumkonzepten. Auch hier mischen wir bewusst die Departments. Außerdem ist uns ist wichtig, dass in jeden Studiengang Geistes- und Sozialwissenschaften miteinfließen. Der Grund: Wir wollen Ingenieure in die Welt entlassen, die bei allem, was sie tun, auch Folgen und Nutzen für Umwelt und Gesellschaft reflektieren.
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Das zweite wesentliche Element, neben der Interdisziplinarität, ist unsere internationale Ausrichtung. Wir streben langfristig einen Anteil von 40 Prozent ausländischen Studierenden an. Die meisten anderen technischen Hochschulen liegen bei rund 20 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ein Teil unserer Studierenden nach dem Studium hier in der Region bleibt. Das wiederum erhöht das Fachkräfteangebot und die Attraktivität des Standortes für neue Firmenansiedlungen.
Und was ist mit dem dritten Punkt, der digitalen Ausrichtung?
Hier muss man unterscheiden zwischen zwei Dimensionen: „Digital“ in Bezug auf die Gestaltung der Uni und „digital“ als thematischer Treiber. Was die Art der Lehre angeht, da wird es sicherlich so sein, dass ein Teil der theoretischen Wissensvermittlung online stattfinden wird. Die Lehrenden konzipieren ihre Onlinekurse selbst und legen sie gezielt auf unsere Universität und unsere Studierenden aus. Dem Onlinekurs folgt aber immer eine Phase der Reflexion und des persönlichen Diskurses, in der die Studierenden mit der Lehrkraft zusammenkommen. Ein weiterer Punkt in der digitalen Gestaltung der Technischen Universität Nürnberg sind die Verwaltung und die Organisationsstrukturen. Vor allem aber ist Digitalisierung auch ein zentrales Thema, das inhaltlich von unseren Departments aufgegriffen wird, und zu dem wir aktive Forschung betreiben werden.
Als Gründungspräsident können Sie 37 ha im Süden Nürnbergs neugestalten. Geplant ist nicht weniger als Deutschlands erste echte Campus-Universität. Was kann man sich darunter vorstellen?
Vom Konzept her ist es so, dass sich auf dem Campus Studierende und Lehrende täglich über den Weg laufen sollen, beruflich und privat. Dass es verschiedenste Angebote und auch öffentliche Einrichtungen wie Kitas gibt. Und dass etliche dort auch wohnen werden. Wir wollen echtes Campusleben schaffen. Und wir wollen den Campus vernünftig in die Stadtgemeinschaft integrieren, zum Beispiel mit verschiedenen öffentlichen Veranstaltungsformaten. Damit fangen wir im Herbst sogar schon an – allerdings erst einmal im Historischen Rathaussaal mit einer mehrteiligen Vortragsreihe. Und bei Veranstaltungen wie den „Stadt(ver)führungen“ oder dem Wissenschaftsformat „G`scheid schlau“ sind wir natürlich auch dabei.
Vom architektonischen Gesichtspunkt her ist es so, dass wir uns derzeit Gedanken über die Gesamtstruktur des Campus machen. Erst wenn diese Planungsphase abgeschlossen ist, wird es zu den einzelnen Gebäuden Ausschreibungen geben. Was schon heute sicher ist: Am Südrand des Geländes werden im ersten Schritt zwei Gebäude für die Verwaltung gebaut, während im Norden die systemische Bebauung beginnt. Rein visuell gesehen soll es eine qualitativ hochwertige Universität werden, eine echte Vorzeige-Uni.
Nürnberg verfügt über ein agiles Innovationsökosystem. Wo sehen Sie Anknüpfungspunkte und wie kann die Technischen Universität Nürnberg zum Treibstoff für die technologiegetriebenen Unternehmen in der Region werden?
Wir sind grundsätzlich überall an Vernetzung interessiert, wo es Anknüpfungspunkte gibt. Und zwar auf allen Ebenen – innerhalb der Technischen Universität Nürnberg und natürlich auch nach außen. Die Vernetzung auf wissenschaftlicher Ebene ist sogar schon angelaufen, da haben wir uns mit der FAU und der Technischen Hochschule bereits auf verschiedene Kooperationsvereinbarungen verständigt. Auch mit dem Fraunhofer Institut wird es eine Zusammenarbeit geben. Und natürlich wollen wir uns auch mit der Industrie vernetzen. Dazu führen wir bereits erste Gespräche. Aber da wir noch keine Professuren besetzt haben und damit auch keine konkreten Themen, finden diese erst einmal nur auf der Metaebene statt.
Thema Treibstoff: Wir sehen uns natürlich auch ganz klar als Motor für neue Hightech-Gründungen. Das ist für eine technische Universität ein immens wichtiger Aspekt. Wir werden Strukturen aufbauen, die Ausgründungen ermöglichen, und zugleich versuchen, uns mit den Unternehmen vor Ort eng zu vernetzen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Firma Merck, die auf dem Gelände der TU Darmstadt ein Schülerlabor betreibt, so dass Studierende gleich vor Ort ein Praktikum absolvieren können. Ich möchte, dass auch in Nürnberg Firmen mit solchen oder anderen Ideen zu uns auf den Campus kommen. Genug Platz dafür haben wir.
Wenn wir jetzt eine Zeitreise in das Jahr 2030 wagen, welche Rolle spielt die Technischen Universität Nürnberg für unsere Stadt?
Im Jahr 2030 ist die Uni bereits in mehreren Gebäuden in Betrieb, mit einer stattlichen Anzahl an Studierenden. Wir möchten bis dahin der angestrebten Zahl von rund 6.000 Studierenden ein großes Stück näher gekommen und eng mit der Stadt Nürnberg, der Industrie und den Menschen vernetzt sein. Zum einen wollen wir ja den Menschen aus der Region interessante universitäre Ausbildungsmöglichkeiten bieten. Zum anderen wollen wir eine attraktive Uni sein – für Studierende aus Nürnberg, aus dem nationalen und aus dem internationalen Raum. Durch die Absolventen, die teilweise hier in der Region verbleiben, werden wir den Wirtschaftsstandort ganz klar stärken. Genauso wie die rund 200 Professorinnen und Professoren, die mit der Wirtschaft vor Ort zusammenarbeiten werden und die mit ihren Familien hierherziehen und somit auch auf anderen Ebenen die Stadt bereichern werden.
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- Technische Universität Nürnberg näher kennenlernen – auf der offiziellen Website
- „Stadt(ver)führungen“ – jetzt anmelden für den 18.9.2021
- Von der grünen Wiese zum grünen Campus – jetzt anmelden zur interaktiven Talkrunde 22.10.2021
- Start der Vortragsreihe der Technischen Universität Nürnberg in Nürnbergs Historischem Rathaussaal
- Factsheet zur „Technischen Universität Nürnberg“ (PDF, 458 KB)
Titelbild: Campus der Technischen Universität Nürnberg mit grüner Mitte © Ferdinand Heide Architekt / TOPOS Stadtplanung Landschaftsplanung Stadtforschung
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