Läuft und läuft und läuft: Nürnbergs Digital Festival ist längst zur Marke geworden. In diesem Jahr feiert es seinen zehnten Geburtstag. Eine Erfolgsgeschichte, die Festivalveranstalter Ingo Di Bella und Tina Langheinrich nicht müde werden zu erzählen. Und das mit Recht! Denn vom Digital Festival profitieren alle: Veranstalterinnen und Veranstalter sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Wirtschaft, Forschung und nicht zuletzt der Standort Nürnberg. Wir haben mit den beiden Nürnberg Digital Festivalveranstaltern Ingo Di Bella und Tina Langheinrich gesprochen!
10 Jahre Nürnberg Digital Festival – wir gratulieren! Wenn Ihr auf diese Zeit zurückblickt: Was sind die größten Erfolge, auf die Ihr heute zurückblickt?
Ingo Di Bella: Allein die Entstehung des Festivals, damals noch die Web Week, ist für mich eine Erfolgsgeschichte. Dass es gelungen ist, ein Kollektiv aus freien Veranstaltungen unter einen Hut zu bringen, und die digitale Community der Region auf diese Weise zu stärken, zu inspirieren.
Ein ebenso großer Erfolg ist die unglaubliche Vervielfachung, die wir mit jedem neuen Festival verzeichnet haben: Bis zu Beginn der Pandemie hat sich die Zahl der angebotenen Veranstaltungen als auch die der Teilnehmenden jedes Jahr verdoppelt. Hatten wir vor zehn Jahren noch mit acht Events gestartet, lagen wir zuletzt bei 330 Events mit rund 17.000 Teilnehmenden. Dieses schnelle Wachstum war nicht vorherzusehen. Wir waren jedes Jahr aufs Neue überrascht und fühlten uns dadurch in unserem Ansatz bestärkt, das Feedback unserer Community als Basis für das jeweils nachfolgende Digital Festival zu nutzen.
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Schön ist auch, dass im Laufe der Zeit doch einige Kooperationen zustande gekommen sind, auch Forschungs- und Bildungsprojekte, wie das Kinder-Coderdojo in mehreren Städten und sogar Unternehmensgründungen, wie beispielsweise die von Agile Kitchen. Darauf bin ich natürlich sehr stolz.
Und ich bin stolz darauf, dass wir die digitale Stärke und Wandlungsfähigkeit der Metropolregion Nürnberg bei der SXSW Conference & Festivals in Austin/Texas präsentieren durften – eine der weltweit wichtigsten Veranstaltungen der digitalen Community. Wir haben Politik und Unternehmen aus der Region überzeugt, dass eine Präsenz im deutschen Pavillon Nürnberg zu einem Imagewandel verhelfen könnte. Und tatsächlich: Viele deutsche Besucher, die an unserem Messestand vorbeikamen, waren überrascht, dass sich ausgerechnet Nürnberg dort präsentierte. Das hat bei wichtigen nationalen Digital-Multiplikatoren etwas im Mindset verändert: Nürnberg kann viel mehr als Bratwurst!
Was ist Euer Erfolgsrezept – wie kann ein loser Zusammenschluss an Menschen ein solches Mega-Event auf die Beine stellen?
Tina Langheinrich: Das Besondere am Nürnberg Digital Festival ist, dass es keinen kommerziellen Hintergrund hat. Deswegen ist es auch ein sehr offenes Format: Offen für jedes Thema, offen für jedes Veranstaltungsformat und offen für jeden, der eine eigene Veranstaltung auf die Beine stellen will. Jeder kann das Festival auf seine Weise mitgestalten und damit für sich selbst, aber gleichzeitig auch für die Region und die Community etwas Gutes tun.
Im Fokus steht die Freude am Thema und dass man diese Freude mit anderen teilt. Es geht also um Netzwerk und Zusammenarbeit. Deswegen funktioniert das Digital Festival auch am besten im Offline-Format. Menschen sind einfach kreativer, wenn sie im persönlichen Kontakt zusammenarbeiten – da können virtuelle Treffen nicht mithalten. Das belegt übrigens auch eine kürzlich veröffentlichte Studie. Ich denke, es motiviert in besonderem Maße, dass man sich und seine Ideen präsentieren oder einbringen kann. Jeder Veranstaltende kann sein Event so gestalten, wie er es für richtig hält. Das sorgt für einen spannenden Formate-Mix und inspiriert andere vielleicht dazu, beim nächsten Mal selbst etwas auf die Beine zu stellen. Es ist die Eigendynamik, die den Erfolg ausmacht.
Warum ist das Festival so extrem gewachsen?
Ingo Di Bella: Vielleicht, weil wir mit dem Konzept genau den Zeitgeist getroffen haben. Sicherlich aber auch, weil der Nährboden für ein solches Veranstaltungsformat damals in Nürnberg schon vorhanden war. Es gab ja schon eine sehr aktive Community und daraus hervorgehend auch regelmäßig einzelne Veranstaltungen für bestimmte Community-Gruppen.
Einen richtigen Wachstumsschub hat interessanterweise auch die Umbenennung von Web Week in Digital Festival gebracht. Denn schnell waren wir thematisch über das Internet hinausgewachsen, viele Veranstaltungen hatten inhaltlich nichts mehr mit dem Web zu tun. Dennoch gab es damals viel Kritik am neuen Namen – aber wir waren überzeugt davon, dass sich von dem weitergefassten Begriff mehr Akteure mit ihren Themen angesprochen fühlen würden. Und genau das war der Fall. Es kamen mehr Veranstaltungen hinzu und auch mehr Menschen in die Veranstaltungen.
Last but not least ist es aber sicherlich auch unsere Wandlungsfähigkeit, die den Erfolg des Festivals begründet. Wir nehmen das Feedback von Veranstaltenden und Teilnehmenden auf und packen es direkt in das Konzept des nächsten Festivals. Auf diese Weise entwickeln wir uns und die auf der Veranstaltung gespielten Themen automatisch weiter. Wandel ist praktisch unsere DNA.
Die Pandemie hat ja viele Veranstalter stark gebeutelt. Wie seid Ihr durch die Krise gekommen?
Tina Langheinrich: Tatsächlich war diese Zeit eine große Herausforderung für uns. Auch wenn es der Name vielleicht vermuten lässt: das Digital Festival lebt tatsächlich davon, dass es eben nicht digital stattfindet. Es lebt vom direkten persönlichen Austausch und Zusammenarbeit. Wir haben versucht, das Festival über digitale Kanäle zu spielen, aber es war einfach nicht dasselbe. Es gab weniger Veranstaltungen, weniger Teilnehmende und kaum Sponsoren.
Auch war es so, dass die Finanzierung für das kommende, erste Live-Festival 2022 nach der Krise, im Herbst 2021 noch nicht stand. Ganz einfach deshalb, weil wir uns damals mitten im vierten Lockdown befanden. Die Finanzierung muss aber zu diesem Zeitpunkt unter Dach und Fach gebracht werden, wenn wir mit den Planungen in medias res gehen und im Zeitplan bleiben wollen. Es fehlte an verbindlichen Zusagen. Daher haben wir Anfang des Jahres zum ersten Mal in unserer Geschichte politische und wirtschaftliche Akteure der Region um Hilfe gebeten. Das Nürnberg Digital Festival stand tatsächlich haarscharf vor dem endgültigen Aus.
Aber zum Glück ist es ganz anders gekommen, denn die Reaktionen, die auf unseren Aufruf hin von allen Seiten kamen, haben uns wortwörtlich umgehauen. Es kam viel Zuspruch, aber auch konkrete Unterstützung und Vorschläge, welche Unternehmen für ein Sponsoring angesprochen werden könnten. Alle wollten das Festival retten. Es war fast ein bisschen Zauberei im Spiel, wenn man bedenkt, wie wenig Aufwand wir in die Kommunikation der Thematik gesteckt haben.
Blick in die Zukunft: Gibt es etwas, was Ihr ändern oder besser machen möchtet?
Ingo Di Bella: Wir würden gerne noch mehr Teilhabe bzw. Ownership in die Veranstaltung bringen. Also die Idee, dass alle Teilnehmenden als große Gemeinschaft an einem Projekt arbeiten und an einem Strang ziehen, noch konkreter umsetzen. Noch mehr Mitmachen ermöglichen. Das wäre so ein ganz großes Ziel von uns.
Ein kleineres Ziel ist es, dass Menschen, die am Digital Festival teilnehmen möchten, einen schnelleren und besseren Überblick über unser Programm erhalten. Um unter den vielen Angeboten die Veranstaltungen zu finden, die für sie relevant sind. Dazu haben wir in den letzten Monaten unsere Website optimiert.
Und wir würden gerne die Dimension des Digital Festivals mehr greif- und erlebbar machen. Aber die 17.000 Teilnehmenden sind eben auf rund 200 verschiedene Veranstaltungsorte verteilt. Ganz einfach deshalb, weil es kein so großes Messe- oder Kongresszentrum hier gibt. Aber das wäre schon was: alle Teilnehmenden mal zusammenzubringen. Das wäre dann wieder eine Veränderung mit Signalcharakter. Was wieder belegt: Nichts ist so beständig wie der Wandel.
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Titelbild: © Jolanta Dworczyk / Nürnberg Digital Festival
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